Eine feierliche Einstimmung auf Ostern

Die Offenburger Kantorei hat am Gründonnerstag und am gestrigen Karfreitag unter Mithilfe der Jugendkantorei zusammen mit dem Kammerorchester des Bezirkskantorats mit der »Matthäuspassion« begeistert. Sowohl die Chöre als auch die verschiedenen Solisten in teilweise ungewohnter Kombination überzeugten ihr Publikum.

Offenburg. Die »Matthäuspassion« von Johann Sebastian Bach gehört seit fast 300 Jahren zu den vor Ostern am häufigsten gespielten Werken – und das weltweit. Der Choral »Oh Haupt voll Blut und Wunden« hat seinen Weg sogar bis in die katholische Messe gefunden, was den lange verstorbenen Thomaskantor sicher schmunzeln ließe, wenn er es wüsste.

Ein düsteres Thema
Bachs Musik gehört nun mal zum Besten und vor allem Schönsten, was an geistlicher Musik über die Jahrhunderte entstanden ist, und das bei einem Thema, das düsterer nicht sein könnte. Dieser Gegensatz lässt weder Zuhörer noch Sänger oder Musiker los und zeigt sich nur umso deutlicher, wenn eine Aufführung so gelungen ist wie die der Offenburger Kantorei unter dem Dirigat von Traugott Fünfgeld 2015. Sie ist am Gründonnerstag und am gestrigen Karfreitag in der evangelischen Stadtkirche zu hören gewesen.

Herausragende Soli
Nur um Winzigkeiten gekürzt, entfaltet sich in bisweilen sehr altertümlicher Sprache die Leidensgeschichte Christi. Den bei weitem umfangreichsten Part als erzählender Evangelist meistert Tenor Timothy Löw mit Bravour, absolut klar ist er sowohl in Ton als auch Formulierung – und mit viel Stimmungsmodulation, etwa bei der Verleugnung des Petrus. Bass Clemens Morgenthaler in der Rolle des Jesus und bei den herausragenden Bass-Soli steht ihm dabei in nichts nach, mit sehr viel Klang und ernster Würde gleichermaßen.
Sopranistin Julia Großsteiner gibt nur in einer winzigen Rolle als Magd einer Figur eine Stimme, brilliert aber mit mehreren Arien und Rezitativen, strahlend, dramatisch und (da bleibt der Barock sich treu) bei aller biblischen Textgrundlage mit mehr als nur einem Hauch großer Oper. Das schönste »Duett« haben aber Altistin Viola de Galgósczy und – eine Violine, gespielt von Ines Then-Bergh. Der Arie »Erbarme dich, oh Gott« geben sie eine unvergleichliche Tiefe und Innigkeit.

Bestens aufgelegt
Auch Bass Andreas Meier verleiht seinen Rollen, Petrus, Judas und Pilatus, viel Ausdruck, und ist wie Tenor Jörg Wetzel (der auch ein Solo bestreitet), Sopranistin Elektra Papasimakis (auch als Weib des Pilatius) und Altistin Martina Seifert in einem stimmlich bestens aufgelegten Chor-Quartett präsent.

Kantorei und Jugendkantorei vollenden zusammen mit dem Kammerorchester des Bezirkskantorats Offenburg das Ensemble bei dieser langen und in jeder Minute packenden Aufführung. Vor allem bei den wilden, sehr dramatischen Passagen (»Blitze, Donner und Wolken«) begeistern die Chöre durch hohe Präzision in Tempo und Dynamik.
Die Würde wahrende kurze Stille nach dem letzen Ton zollt dem Text Respekt, der mit Jesu Begräbnis und einer ergreifenden zeitgenössischen Totenklage, die in Teilen an ein liebevolles Schlaflied erinnert, endet. Dann bricht sich in der evangelischen Stadtkirche ein donnernder Applaus Bahn, der die hohe künstlerische Leistung eindrucksvoll feiert.